Impressionen vom 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie/ Kranio- Maxillofaziale Chirurgie und zugleich der 100- Jahrfeier der Rostocker Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie vom 29.5 bis 2.6 2007 in Rostock- Warnemünde Unter der Kongresspräsidentschaft von Prof. Dr. Dr. Dr. hc. Karsten Gundlach tagten die deutschen Mund- Kiefer- Gesichtschirurgen in der „Hohen Düne" in Rostock- Warnemünde- einem Yachthafenkomplex, der seine Entstehung der einstigen Bewerbung Rostocks für die Olympischen Spiele verdankt. Die Themen (Evidence based medicine- prospektive randomisierte möglichst multizentrische und doppelblinde klinische Studien, Odontogene Tumoren, Fokussanierung sowie ein Wehrmedizinisches und ein Gemeinschaftssymposium Riga- Rostock) lösten zunächst zumindest bei mir eher Verwirrung aus. Aber: Aus dem konfusen Themenangebot hat Professor Gundlach ein in sich schlüssiges Programm aufgebaut. Letztlich stand alles unter dem Motto vom Portal der Rostocker Universität: Doctrina multiplex, veritas una. Überhaupt wurde der Kongress von der ganz eigenen Hand des Kongresspräsidenten geprägt. Dies deutete sich schon in dem alternierend zweisprachigen Grußwort im Programms an und setzte sich in der feierlichen Eröffnung fort, auf der der frühere Kultusminister Mecklenburg- Vorpommerns und Rektor der Greifswalder Universität, der Mund- Kiefer- und Gesichtschirurg Prof. Dr. Dr. Hans Robert Metelmann den Festvortrag zu einem verwaltungstechnischen Vorgang hielt. Zunächst kamen- auch das eine Besonderheit- Vertreter der Rostocker Universität mit Studien zum Botulinumtoxin, zur Radiochemotherapie und zur Antibiotikaprophylaxe zu Wort. Dann wurde zur hochaktuellen Thematik der Bisphosphonat assoziierten Kiefernekrose referiert. Es schloss sich der Vortrag des diesjährigen Wassmundpreisträger PD Dr. Dr. Frank Hölze aus Bochum zur Problematik der retrograd anatomisierten Perforanslappen an. Es folgte eine Fülle von prospektiven Studien, die im Detail nicht referiert werden können, sondern über die nur im Überblick und als Auswahl berichtet werden kann: Literaturevidenz zur Wurzelspitzenresektion, zur autologen Zahntransplantation, zu Knochenersatzmaterialen bei der Sinusbodenelevation, operative versus konservative Versorgung von Unterkiefergelenkfortsatzfrakturen (Vorteile der Operation), verblockbare versus konventionelle Miniplattenosteosynthese, resorbierbare versus Titanschraubenosteosynthese, resorbierbare versus nicht resorbierbare Platten bei Jochbeinfrakturen (Titan stabiler), Narbenbildung nach unterschiedlichen Arten der Hautdurchtrennung (Skalpell zu bevorzugen), Frühbelastung von Implantaten (kein Nachteil), präoperative Chemotherapie bei fortgeschrittenen, aber resektablen Karzinomen, Beurteilung der Resektionsgrenzen durch DNA- Zytometrie am Schnellschnitt uvam.. Für mich interessant waren Ergebnisse einer kieferorthopädischen Erstbehandlung von Atemwegsobstruktionen beim Pierre- Robin- Syndrom sowie die Aussage einer Multizenterstudie zur Behandlungsangst: Danach haben Patienten mehr Angst vor ambulanten Operationen in Lokalanästhesie als vor stationären Operationen in Narkose! Das gilt es zu durchdenken! Spannend waren Ergebnisse prospektiver Vergleichsuntersuchungen der unterschiedlich konzipierten Spaltträgerbehandlungen in Rostock, Wilna und Riga. Ein Tagungsabschnitt befasste sich mit der Fokussanierung. Wesentlich ist, dass sich die Anschauungen zur Sanierungserfordernis vor Herzoperationen verändert haben. Bei den Vorträgen zu den odontogenen Tumoren stand der keratozystische odontogene Tumor (früher: Keratozyste) im Mittelpunkt der Betrachtungen. Für diese Entität scheinen sich etwas knochenerhaltendere Vorgehensweisen durchzusetzen. Ein Höhepunkt war der abschließende Vortrag von Dr. Dr. K. Salyer aus Dallas (USA), der über die Problematik und sein eigenes erfolgreiches Vorgehen bei der Trennung von im Schädelbereich verwachsenen siamesischen Zwillingen berichtete. Hier wurde deutlich, dass sich die Kieferchirurgie zu einem Fach entwickelt hat, von der auch komplexe kraniofaziale Probleme gelöst werden. Noch deutlich wurde dies während der Karl- Schuchardt- Lecture. Prof. Dr. Dr. Bernard Dechauvelle aus Amiens berichtet über die in allen Medien dargestellte erfolgreiche Untergesichtstransplantation von einer Leiche auf eine Gesichtsverletzte. Uns Operateuren wurde nicht nur die operativen Meisterschaft und die Kondition des umfangreichen Behandlungsteams bei der Transplantatentnahme und den mikrochirurgischen Gefäß-, Nerven- und Muskelanschlüssen bei der Einpflanzung demonstriert sondern auch die Planung, Lösung und Vorbeugung einer Fülle von Randproblemen. Als Ergebnis nach nunmehr 2 Jahren normalisieren sich Muskel- und Nervenfunktion und- was am erstaunlichsten ist- es bildet sich zunehmend ein individuelles Erscheinungsbild heraus, das dem Zustand vor dem Organverlust entspricht. Für mich war diese Demonstration ein Höhepunkt meiner vieljährigen Kongressbesuche. 55 freie Vorträge und 51Poster, die 8 Workshops und das Symposium für Wehrmedizin können hier nicht besprochen werden. Es ist Herrn Professor Gundlach zu danken, dass es ihm gelungen ist, hervorragende Repräsentanten mit Weltruf aus unserem Fachgebiet für uns nach Rostock zu verpflichten. Es ist ihm auch eine außergewöhnlich gute Kongressplanung zu danken: Ungeachtete der erdrückenden Fülle unterschiedlicher Einzelthemen blieb doch der Überblick durch einen eigentlich einfachen Kunstgriff gewahrt: Die Diskussionszeit für jeden Vortrag entsprach fast der Vortragszeit! Der Kongress war damit ganz entscheidend geprägt von der Persönlichkeit und den Intuitionen des Kongresspräsidenten. Als zusätzlicher Beleg sei hierfür erwähnt, dass ungeachtet drohender Störungen durch das Vorfeld des G8- Gipfels in Heiligendamm der Kongress reibungslos ablief und dass- auch das völlig ungewöhnlich- der in Rostock ansässige Kongresspräsident für die Dauer des Kongresses sein Quartier mit uns in der Yachthafenresidenz Hohe Düne aufgeschlagen hatte. Für die herausragende Organisation des Kongresses sollten wir Herrn Prof. Dr. Dr. Gundlach in besonderem Maße danken. Es wird sehr schwer werden, den Standard von Rostock 2007 zu wiederholen. Dr. med. habil. Lutz Tischendorf, Niemeyerstr. 23 D-06110 Halle/Saale 02.10.2007 | |