Impressionen vom Internationalen Osteologiesymposium vom 10. bis zum 12. Mai 2007 in Monaco zum Thema: Regenerative Techniken in der Oralchirurgie- Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. Unter der Leitung von Vertretern mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund- des Präsidenten der Osteology Foundation und Universitätsprofessors Dr. Christoph Hämmlere (Zürich), des Universitätsprofessor mit Privatpraxis Dr. Massimo Simion (Mailand) und des Praktikers Dr. Franck Renouard (Paris)- fand das Internationale Symposium der erst 2004 gegründeten Osteology Foundation unter Schirmherrschaft der Firma Geistlich Biomaterials in Monaco statt. Hauptprogrammpunkte waren: Erhalt von Weich- und Hartgewebe, neue Aspekte der gesteuerten Knochenregeneration, Wertigkeit der mukogingivalen Chirurgie, Veränderungen am atrophischen Kiefer. Jedes Teilgebiet wurde durch Referate zu den Erwartungen, zur Gegenwart und zur Zukunft dargestellt und dann ausführlich diskutiert. Parallel wurden Einzelaspekte vorgestellt, auf die ich nicht weiter eingehen werde. 18 Workshops zur Osteology, seitens führender Implantatfirmen und der Firma Geistlich ergänzten das Programm. Auf 85(!) Postern konnten Einzelergebnisse nachvollzogen werden. Der Einladung zu dem hochkarätigen Symposium in der zwar teuren, aber gerade im Frühling phantastischen Umgebung von Monte Carlo und kurz vor dem Formel I Rennen folgten über 2500 Teilnehmer aus der ganzen Welt. Sie erlebten einen Einführungsvortrag von Reinhold Messner („Risikomanagement zur Perfektion"), der anhand seiner vielfältigen spektakulären Erlebnisse auf ganz anderen Gebieten zeigte, dass keine Entwicklung ohne ein Risiko für Erfolg oder sogar das Überleben möglich ist, dass mit Rückschlägen zu rechnen ist, dass aber Mut und Enthusiasmus Widerstände überwinden helfen können. Diese Aussagen besitzen allgemeine Gültigkeit und mit Ihnen wurde der Bogen zur Wissenschaft geschlagen, in der auch Willenskraft neben Intuition, Akkuratesse und Ehrlichkeit Erfolg und Fortschritte begünstigt. Zum ersten Schwerpunkt (Gewebserhaltung) stellte Prof. Jan Lindhe aus Göteborg den aktuellen Kenntnisstand zur Kieferkammentwicklung nach Zahnverlust dar. Er unterstrich die stets vorhandenen, aber bukkal und lingual mit unterschiedlicher Intensität ablaufenden Resorptionsvorgänge. Sie sind bei dem dünnen und dicken Biotyp der Gingiva unterschiedlich ausgeprägt und von unterschiedlicher Bedeutung sind. Tierversuche weisen darauf hin, dass beim dünnen Biotyp eine Stabilisierung der Alveolen mit Füllstoffen (z.B. BIOOSS COLLAGEN) vorteilhafter sein könnte als eine Sofortimplantation, die beim dicken Biotyp erwogen werden kann. Im kammnahen Drittel scheint danach die Ossifikation ungestörter abzulaufen. Brad McAllister und William Giannobile aus den USA stellten Studien zum Knochenerhalt unter Einsatz von Wachstumsfaktoren vor und wiesen damit in die Zukunft. Die Problematik bei den ermutigenden Studien liegt unter anderem in der Auswahl eines geeigneten Trägermaterials. Wir sind gespannt, was von diesen Visionen für den Erhalt des Kieferkammes nach Zahnverlust auch ökonomisch vertretbar sein wird. Unter der Moderation von Myron Nevins (USA) wurden neue Aspekte der gesteuerten Knochenregeneration vorgestellt. Prof. Christoph Hämmerle (Zürich) und Prof. Daniel Buser (Bern) stellten die zeitbezogenen ITI- Empfehlungen systematisch dar. Für die Erzielung eines günstigen ästhetischen Ergebnisses ist ein Kieferaufbau vestibulär sehr oft erforderlich. Dieser erfolgt bei den Resorptionsklassen (nach Hämmerle) I und II mittels BIOOSS und Kollagenmembran, bei Klasse III mittels GORETEX- Membran und bei IV und V mittels ein- oder zweizeitigen Knochenblocktransplantate mit Membranabdeckung. Das Vorgehen ist nur als verzögerte Implantation machbar. Prof. Buser unterstrich, dass damit nicht immer alle ästhetischen Probleme gelöst werden können und dass eine solche Versorgung sehr kostenaufwendig ist. In einem rhetorisch und inhaltlich herausragenden Beitrag wagte Prof. Henning Schliephake (Göttingen) einen Blick in die Zukunft der GBR- Konzepte mit Gewebezüchtung und Einsatz von Wachstumsfaktoren. Er diskutierte neben den einsetzbaren Wirkstoffgruppen deren Einsatz als s. g. „aktive" Membranen, Implantate und Füllstoffe mit ihrer unterschiedlichen Problematik. Diese klar strukturierte Arbeit sollte im Original gelesen werden! Einen sehr großen Raum nahm die Problematik der mukogingivalen Chirurgie unter der Moderation von Prof. Christoph Hämmerle ein: Myron Nevins (USA) besprach Kriterien für eine optimale Ästhetik des Weichgewebes. Giovanni Zuchelli (Italien) demonstrierte die Behandlung von Rezessionen durch umfangreiche koronal verlagerte Spaltlappen bei Erhaltung der entepithelisierten Papillen. Diese führte in 68% zu hervorragenden 5-Jahresergebnissen. Sie werden mitbestimmt durch die Korrektur der Zahnputztechnik. Prof. Massimo Simion (Mailand) zeigte als Ausblick in die Zukunft die Entwicklung einer neuen offen einheilenden Kollagenmembran bei parodontologischen Indikationen. Prof. Mariano Sanz aus Spanien diskutierte den Einfluss psychosozialer Aspekte auf Therapieentscheidungen und versuchte, dies durch hoch interessante Analysen zu den Begriffen der objektiven und subjektiven Schönheit zu beschreiben und durch eine Pink Score zu objektiveren: Spannende Aspekte, die bestimmt uns Behandler, aber möglicherweise nur einen kleine Teil unserer Patienten tangieren. Prof. Ronald Jung (Schweiz) wagte den Ausblick in die Zukunft der mukogingivalen Chirurgie mit besonderem Augenmerk auf Erhaltung oder Wiederherstellung der Mukosadicke. Diese sollte auf mindestens 2 mm dauerhaft erweitert werden kann, was möglicherweise durch Einbringen einer Kollagenmembran unter die Gingiva erreicht werden könnte. Zum Themenkreis atrophischer Kiefer stellte Ueli Grunder (Schweiz) die Erwartungen hinsichtlich der optimalen Ästhetik vor und diskutierte insbesondere das Problem der Wiederherstellung interdentaler Papillen, die bei großen Zwischenlücken oftmals nicht gelingt. Zur aktuellen Situation sprachen Franck Renouard (Paris) und Prof. Dieter Weingart (Stuttgart). Renouard diskutierte die Differentialindikation zwischen Sinusbodenelevation und als Alternative das Einbringen sehr kurzer Implantate aber auch das ballongeführte Einbringen pastenförmiger Knochenersatzmaterialien in die Kieferhöhle. Prof. Weingart zeigte, dass früher propagierte umfangreiche präimplantologische Knochenauflagerungsplastiken die Erwartungen nicht erfüllt haben, so dass wieder eher auf Verankerungen an Implantaten im anterioren Bereich zurückgegriffen wird. Die Schnittführung hat sich zugunsten des Kieferkammschnittes verändert. Fundiert und rhetorisch glanzvoll war der Vortrag von Prof. Jürgen Becker (Düsseldorf) zur Zukunft der Knochenaugmentation mittels Membranen. Modifizierte vernetzte Kollagenmembranen haben sich nicht bewährt, unvernetzte Kollagenmembranen bleiben Standard. Prof. Hendrik Terheyden (Kiel) schloss den Kongress mit der Darstellung zukünftiger Möglichkeiten der Knochenzüchtung. Ihm war es bereits vor längerer Zeit spektakulär gelungen, im Muskelgewebe mittels Bone Morphogenetic Proteinen und Knochenersatzmaterial Knochen zu züchten und diesen Knochenblock dann gefäßgestielt zum Ersatz eines Unterkieferkontiuitätsdefektes einzusetzen. Für die präimplantologische Korrektur des atrophischen Unterkiefers ist dieses Vorgehen allerdings noch zu aufwendig und zu teuer. Es zeigt aber eine denkbare Richtung zukünftiger Entwicklungen. Das wissenschaftliche Programm war reich an Höhepunkten. Bemerkenswert war, dass auch offensichtliche Fehlentwicklungen des Hauptsponsors wie vernetzte Kollagenmembranen offen angesprochen und diskutiert wurden. Dies zeichnet die Firma Geistlich Biomaterials als ein schöpferisches, aber auch verantwortungsbewusstes Unternehmen aus. Dem Schlusswort von Franck Renouard ist nur zuzustimmen, dass sich eminenzbestimmte Anschauungen nicht immer durch Studien mit hoher Evidenz belegen lassen. Dr. med. habil. Lutz Tischendorf, Niemeyerstr. 23 D-06110 Halle/Saale 5.8.2007 | |