Reflexionen zur Tagung der Gutachterkonferenz Implantologie des BDIZ EDI am 20.10.2007 in Magdeburg

Meines Wissens erstmals tagte die Gutachterkonferenz des Bundesverbandes Deutscher implantierender Zahnärzte (BDIZ) in einem neuen Bundesland. Dies war eine Referenz an Sachsen- Anhalt. Der Präsident der Zahnärztekammer Sachsen- Anhalt Dr. Frank Dreihaupt eröffnet die Veranstaltung. 37 von 121 BDIZ- Gutachtern trafen sich unter Leitung des Vorsitzenden des Gutachterausschusses Dr. Hans Hermann Liepe aus Hannover. Gutachter aus Sachsen- Anhalt mit Beziehung zu Implantologie und Prothetik von KZV (41) und Zahnärztekammer (12) aber auch Zahnärzte aus sachsen- anhaltinischen Patientenberatungsstellen haben die seltene Gelegenheit verpasst, auch ohne Bindung an den BDIZ gutachterliche Probleme der Implantologie aus erster Hand mit zu diskutieren. Vielleicht waren sie aber nicht informiert. Nur die Herren Dr. Joachim Eifert, Dr. Dr. Gerhard Rehmann, Prof. Dr. Jürgen Setz und Dr. Lutz Tischendorf nahmen teil.

Zwei Themen standen auf der Tagesordnung: Das Zielleistungsprinzip und die Keramik in der Implantologie.

Zur ersten Problematik referierten Dr. Jörg Neugebauer und Prof. Dr. Dr. Joachim Zöller aus Köln anhand der Sinusbodenelevation. Für diese existiert keine leistungsentsprechende Gebührenordnungsnummer. Die Abrechnung erfolgt modulär je nach vorliegenden pathologischen Veränderungen und deren Korrektur. Oft sind Analogberechnungen notwendig. Nach Auffassung der Referenten wäre die Knochenkondensation abgegolten mit der Aufbereitung des Implantatbettes (GOZ 901), das Bone spreading hingegen erlaube die GOÄ 2256 analog (Knochenaufmeißelung). Beim internen Sinuslift seien GOÄ 2386 analog (Schleimhauttransplantation für die Präparation der Schneiderschen Membran), ggf. 2442 oder 2254 (Einbringen von Knochenersatzmaterial oder Knochen) und eventuell 1466 (endoskopische Kontrolle) abrechenbar. Für den externen Sinuslift seien ansetzbar: Eröffnung der Kieferhöhle (GOÄ 1467), Schleimhauttransplantation (GOÄ 2386 analog) und Präparation des Knochenlagers (GOÄ 2730). Abdeckungen mit weichen (GOZ 413) oder mit Titanmembranen (GOÄ 2698) könnten das Verfahren ergänzen. Die Abdeckung einer Perforation der Kieferhöhlenschleimhaut mit Membran ergäbe 2730 (analog). Ggf. seien für Blutentnahmen GOÄ 250 einsetzbar. Eine Periostschlitzung wäre der Vestibulumplastik (GOÄ 2677) gleichgesetzt. Knochentransplantate von intraoral ergeben zusätzlich GOÄ 2255 (Knochenspanverpflanzung), 2730 (Lagerbildung Alveolarfortsatz) und 2676 (Mundvorhofplastik). Bei der Beckenkammtransplantation wären neben GOÄ 2255 zusätzlich vertretbar 2258 (Knochenaufmeißelung am Becken), 2015 ( Redon- Drainage), 2381 (Hautlappenplastik) und 204 (stabilisierender Verband). Für Komplikationen seien einsetzbar: GOÄ 1528 (Naht über Perforation der Schneiderschen Membran), 305 (intraoperative Blutungsbehandlung- das wurde in der Diskussion bestritten), 1465 (Punktion bei Pyocele). Schlussfolgernd seien Gebührennummern mit unterschiedlichen Zielgebieten durchaus nebeneinander einsetzbar. Für den neuen GOZ- Entwurf 2007 seien komplexe Abrechnungsnummern 911 (interner Sinuslift), 912 (externer Sinuslift) und zusätzlich 913 (Resektionen von Knochensepten) im Gespräch. Der Vortrag demonstrierte, welche Abrechnungsmöglichkeiten Gutachter für implantologische Leistungen tolerieren können.

Der Justitiar des BDIZ, Dr. Thomas Rateijzcak (Sindelfingen) sprach zum Zielleistungsprinzip aus juristischer Sicht. Diesen Begriff gibt es in der GOZ nicht, wohl aber in §4 Abs. 2 der GOÄ. Da viele Leistungen in der GOÄ und GOZ nicht abgebildet sind, ist der Einsatz von Analogziffern erforderlich. Diese sollten nach Art und Kosten der erbrachten Leistung am ähnlichsten sein. Zu den entsprechenden Aussagen wurden neueste Gerichtsurteile zitiert. Grundfragen sind: Was ist der jeweilige Leistungsinhalt, was wurde gemacht, gibt es eine Abbildung in Gebührenordnung, die auch leistungsgerechte sein sollte. Prof. Dr. Dr. Singer (Mannheim) stellte Erfahrungen mit dem Zielleistungsprinzip am Gericht anhand mehrerer Fälle dar. Aus seiner Sicht gibt es Diskussionen hinsichtlich der Abrechenbarkeit der Position GOÄ1467 beim Sinuslift. Steigerungen über den Faktor 9 hinaus können als sittenwidrig eingestuft werden. Uneinheitlich diskutiert wurde das Verhalten nach Implantatverlusten vor deren klinischen Nutzung.

Zweites Hauptthema war die Keramik in der Implantologie. Dr. Jörg Neugebauer (Köln) sprach zur Indikation von Zirkonoxyd-Implantaten. Voran stellte er, dass Keramikimplantate ebenso wie Diskimplantate oder Totugen, Nanoprodukte wie Ostim aber auch die Sofortbelastung wissenschaftlich (noch) nicht anerkannt seien. Er diskutierte dies am Beispiel der in Verruf geratenen Diskimplantate. Diese sind CE- zertifiziert. Obwohl folgenschwere Misserfolge bekannt sind, sei ein Vorgehen gegen eine weitere Verbreitung deshalb nicht möglich, weil ausreichende Meldungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht vorlägen. Meldebögen hierfür („Bericht über unerwünschte Arzneimittelwirkungen bzw. für Meldung von Vorkommnissen durch Zahnärzte nach §3 Abs. 2-4 der Medizinprodukte- Sicherheitsplanverordnung" ) werden regelmäßig in den Zahnärztlichen Mitteilungen abgedruckt. Für Keramikimplantate spräche die im Vergleich zum Titan verminderte Plaqueaffinität, ästhetische Belange und allergologische Gesichtspunkte. Es gäbe eine Reihe von Problemen sowohl hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit als auch beim Beschleifen der einteiligen Implantate (nur unter sorgfältigster Kühlung!!!) als auch bei Anwendung eines zu hohen Eindrehmomentes. Die Biegefestigkeit entspräche hingegen den Titanimplantaten. 4 von 60 vom Autor gesetzte Keramikimplantaten gingen in der Frühphase verloren. Es sei daran erinnert, dass die früheren Tübinger Aluminiumoxydkeramikimplantate erst nach längerer Gebrauchszeit ihren Hauptnachteil offenbarten: Die erhöhte Bruchanfälligkeit. Dr. Detlef Hildebrand aus Berlin sprach als Prothetiker zu klinischen Ergebnissen mit keramischen Aufbauten und vollkeramischen Suprakonstruktionen. Er nutzte die Gelegenheit, das in seiner Praxis übliche Vorgehen umfangreich darzustellen. Dabei kamen auch Keramikaufbauten zum Einsatz. Hinsichtlich der Suprastrukturen warnte er vor dem Einsatz bei großen Konstruktionen. Für keramische Implantate sah er keinen Bedarf. Die Relevanz dieses Vortrages für Gutachter war gering.

Die abschließende Diskussion zu aktuellen Gutachterfragen betraf die bereits angesprochenen Diskimplantate und deren Folgeschäden, aber auch die auf den Markt drängende und dem Zahnarzt zugängliche röntgenologische 3- D- Diagnostik. Während ein Computertomogramm für die Insertion eines Einzelzahnimplantates an der Grenze zur Körperverletzung stehe, erlaube die exzellente Darstellungsmöglichkeit mit modernen hoch auflösenden digitalen Volumentomographien bei nur moderater Strahlenbelastung deren Einsatz in der Hand des Zahnarztes. Allerdings müsse der Zahnarzt Fachkundekurse für die DVT Anwendung erwerben. Dies mache sich auch für Gutachter für Implantologie in der Zukunft erforderlich. Die Anfertigung von DVTs durch Zahnärzte für andere Fachgebiete sei unzulässig.

Die Gutachterkonferenz behandelte aktuelle und spannende Themen. Eine Teilnahme war gewinnbringend sowohl für Implantologen als auch für Gutachter auf den Gebieten Implantologie und Prothetik.

Dr. med. habil. Lutz Tischendorf, Niemeyerstr. 23 D-06110 Halle/Saale www.drtischendorf.de