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Enossale klinische Implantologie 

Als Holm Müller 1973 (Cottbus) das erste Blattimplantat aus Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierung in der DDR fertigte und inserierte und Horst Hampel 1975 in Leipzig begann, Titanblattimplantate zu fertigen und zu setzen, sahen sie sich einer relativ homogenen Front von Gegnern oder zumindest Skeptikern gegenüber, die überwiegend den Reihen der Hochschullehrer der Prothetik der DDR entstammten. Zudem betrachteten die Gesundheitspolitiker der DDR die Implantologie bis Mitte der achtziger Jahre distanziert bis ablehnend. Der Sozialismus brauchte eben Fluoridierung und keine Implantate.

In der Bundesrepublik traten ähnliche Probleme auf, die aber leichter überwunden werden konnten, da niedergelassene Kollegen die Implantologie klinisch soweit entwickelten, dass sich die Universitäten diesem neu entstandenen Therapiekonzept nicht mehr verschließen konnten. Manfred Straßburgs Statement von 1982 als Präsident der DGZMK, „dass enossale Implantate in bestimmten Behandlungsfällen erfolgreich in die zahnärztliche Therapie einbezogen werden können und bei entsprechend kritischer Abwägung unter Umständen anderen Behandlungsmethoden vorzuziehen sind", legte die Grundlage der wissenschaftlichen Anerkennung.

Das „schwappte" auch über die Mauer und beeinflusste die weitere Entwicklung der zahnärztlichen Implantologie in der DDR nachhaltig, da sie vor allem Jüngere anregte, sich (unabhängig von der Linie der DDR-Gesundheitspolitik) mit dem Thema zu beschäftigen. Die Starrheit von einflussreichen Teilen der offiziellen DDR-Stomatologie limitierte aber beispielsweise die klinische Anwendung von Implantaten erheblich. So war in den achtziger Jahren in Leipzig durch Joachim Weiskopf die Zahl der an der Universität anzufertigenden Implantat-Suprakonstruktionen auf zwei pro Monat kontingentiert.

Das hieß, dass die Leipziger „Forschungsgruppe Implantologie", so sie sich nicht halblegaler Unterstützung von außerhalb der Universität bediente, offiziell 24 Implantate pro Jahr setzten konnte. Das war noch nahezu weltoffen. In Dresden wurde die Verwendung der in Kleinserie hergestellten MLW-Titanblattimplantate „Typ Leipzig" durch Weisung des Sektionsdirektors Gerd Staegemann ganz unterbunden. Staegemann stand noch 1985 auf dem Standpunkt: „Seit ich Implantate kenne, schätze ich den Wert natürlicher Zähne".

Erst 1986 gründete die Gesellschaft für Kieferchirurgie der DDR und später die übergeordnete Gesellschaft für Stomatologie der DDR eine Arbeitsgruppe „Implantologie".

In der Gesellschaft für Prothetische Stomatologie der DDR unterblieb dies ganz. Trotzdem gelang es den Gruppen um Jörn-Uwe Piesold und Wolfgang Müller (Erfurt) sowie Wolfram Knöfler und Hans-Ludwig Graf (Leipzig), Al2O3-Keramik-Implantate (Erfurt) bzw. Titanblattimplantate und Titan-Retentionszylinderimplantate (Leipzig) in Kleinserie fertigen zu lassen. Das war mit der Konzeption unterlegt, dieses Therapieprinzip über Anwenderkurse von den Universitäten auf die „Bezirkspolikliniken für Stomatologie" und später auf die „Kreispolikliniken für Stomatologie" zu übertragen.

Erste Implantationskurse wurden von beiden Zentren 1985 und 1986 abgehalten. Das Ministerium für Gesundheitswesen stand diesen Absichten zu dieser Zeit schon etwas offener gegenüber als die dominierende Hochschulmeinung, da sich inzwischen trotz der mit der Mauer einhergehenden Informationskontrolle Anfänge eines drängenden Interesses an Implantaten in der Bevölkerung ausbreitete.

Es begann sich eine über die ganze DDR ausgedehnte „Gemeinde" von Implantatanwendern um die Entwicklergruppen in Erfurt und Leipzig zu sammeln, die erste Schritte in der klinischen Implantologie gingen. Die „Lehrbücher" dazu wurden mit Abreibebuchstaben, Tusche, Schreibmaschine und eingeklebten Fotos hergestellt.